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Die Reise für das Leben: WOHIN GEHEN WIR?

 

Juni 2021.

Eine Klarstellung: Oft, wenn wir «los zapatistas» verwenden, beziehen wir uns nicht auf die Männer sondern auf die zapatistischen Pueblos (1). Und wenn wir «las zapatistas» sagen, meinen wir damit nicht die Frauen sondern die zapatistischen Comunidades, Gemeinden (2). Sie werden also diesen Geschlechter-„Sprung“ in unseren Worten finden. Wenn wir uns auf das Geschlecht beziehen, fügen wir immer «otroa» (3) an, um auf die Existenz und den Kampf derjenigen hinzuweisen, die weder Männer noch Frauen sind (und wo unsere Unwissenheit des Themas uns hindert, dies zu detaillieren – aber wir werden es noch lernen, alle Unterschiede zu benennen).

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Nun, das erste, was Ihr wissen oder verstehen müsst, ist, dass wir Zapatistas, wenn wir etwas tun wollen, uns zuerst auf das Schlimmste vorbereiten. Wir gehen von einem Nicht-Gelingen aus und bereiten uns im Umkehrschluss darauf vor, uns diesem zu stellen oder es im besten Fall zu vermeiden, zu verhindern.

Wir stellen uns zum Beispiel vor, wir werden angegriffen: die obligatorischen Massaker; Genozid als moderne Zivilisation verkleidet; die vollständige Vernichtung. Wir bereiten uns auf diese Möglichkeiten vor. Nun, am 1. Januar 1994 haben wir uns die Niederlage nicht vorgestellt, sondern sie als sicher angenommen.

Wie auch immer – vielleicht hilft Euch das, zu verstehen, warum wir anfangs fassungslos, zögerlich und verwirrt improvisierten als wir uns – nach viel Zeit, Arbeit und Vorbereitung auf den Ruin – wiederfanden … und zwar lebendig.

Aus dieser Skepsis heraus entwickeln wir unsere Initiativen. Manche klein, andere größer, alle wahnsinnig. Derart richten sich unsere Rufe immer auf «das Andere» – das, was jenseits unseres alltäglichen Horizonts liegt – was wir aber als etwas erkennen, welches im Kampf für das Leben – das heißt im Kampf für die Menschheit – notwendig ist.

Beispielsweise während dieser Initiative oder Einsatz oder Delirium oder Unvernunft – in seiner maritimen Version – bereiteten wir uns darauf vor, dass der Kraken, ein Sturm oder ein verirrter weißer Wal das Schiff untergehen lassen könnte. Deshalb haben wir Kanus gebaut, die mit dem Geschwader 421 auf der Montaña (4) mitreisten – bis sie Vigo, in Galizien, Spanischer Staat, Europa erreichten.

Wir bereiten uns auch darauf vor, nicht willkommen zu sein – deshalb suchen wir zuerst den Konsens für die Invasion, also den Besuch … Nun, wir sind uns noch nicht ganz sicher, ob wir «willkommen» sind. Für mehr als einen, eine, unoa (5), ist unsere Anwesenheit gelinde gesagt, störend, wenn nicht geradezu Unruhe stiftend. Und wir verstehen, es wäre möglich – nach einem Jahr und mehr des Lockdowns – dass welche es zumindest unpassend finden, eine Gruppe von Indígenas mit Maya-Wurzeln (die ja so wenig Waren-Produzent*innen und -Konsument*innen sind – weder von Wahlen und anderen Waren) beabsichtige, persönlich und direkt mit einander zu sprechen.

Persönlich! (Erinnert Ihr Euch noch daran: Dies gehörte früher zu Eurer täglichen Routine?). Ja, und außerdem besteht die Hauptaufgabe dieser Gruppe darin, Euch zuzuhören, Euch mit Fragen zu löchern, Albträume und natürlich auch Träume mit einander zu teilen.

Wir bereiten uns darauf vor, dass die schlechten Regierungen – auf beiden Seiten des Atlantiks – unsere Ausreise und Ankunft verhindern oder behindern werden – darum waren einige von uns Zapatistas bereits schon in Europa … Ups, das hätte ich nicht schreiben sollen, löscht es sofort. Wir wissen bereits, die mexikanische Regierung wird keine Hindernisse aufstellen. Es bleibt abzuwarten, was die europäischen Regierungen sagen und tun – Portugal und Spanien jedoch haben sich nicht dagegen gestellt.

Wir bereiten uns darauf vor, dass die Mission scheitert – heißt: Sie wird zum Medienereignis und damit flüchtig und belanglos. Deshalb nehmen wir in erster Linie die Einladungen derer an, die zuhören und sprechen – heißt: mit einander sprechen wollen. Denn unser Hauptziel sind nicht Massenveranstaltungen – obwohl wir diese nicht ausschließen – sondern der Austausch von Geschichten, Wissen, Gefühlen, Werten, Herausforderungen, Misserfolgen und Erfolgen.

Wir werden uns darauf vorbereiten, dass das Flugzeug abstürzen kann – deshalb haben wir Fallschirme mit vielen bunten Stickereien hergestellt. Statt eines «D-Day» in der Normandie (oh, oh, heißt das etwa, die Luftlandung wird in Frankreich stattfinden? … eh? … in Paris?!) wird es ein «Tag Z» für das Europa von unten sein. Es wird dann so aussehen: Vom Himmel werden Blumen regnen – als ob Ixchel – Muttergöttin, Regenbogengöttin – uns begleitet, um mit ihrer Hand und  ihrem Fliegen eine zweite Invasionsfront zu eröffnen. Das alles ist jetzt noch sicherer, da es dem Geschwader 421 – dank dem Galizien von unten – gelungen ist, einen Brückenkopf in den Ländern von Breogán zu sichern.

Kurz gesagt, wir bereiten uns immer darauf vor, zu scheitern … oder zu sterben. Deshalb ist das Leben für den Zapatismus eine Überraschung, die jeden Tag und jede Stunde gefeiert werden muss.  Und wie könnte man das besser tun als mit Tanz, Musik und den Künsten.

 

 

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In all diesen Jahren haben wir viele Dinge gelernt. Das Wichtigste ist vielleicht: Wir erkennen, wie klein wir sind. Und ich beziehe mich nicht auf Körpergröße und Gewicht, sondern auf die Größe unseres Bestrebens. Die Kontakte mit Menschen, Gruppen, Kollektiven, Bewegungen und Organisationen aus verschiedenen Teilen der Welt haben uns eine diverse, vielfältige und komplexe Welt gezeigt. Das hat uns in der Überzeugung bestärkt: Jeder Vorschlag von Hegemonie und Homogenität ist nicht nur unmöglich, sondern vor allem verbrecherisch Denn die Versuche, Wege und Ansichten aufzuzwingen – nicht selten versteckt hinter Pappmaché-Nationalismen in den Shoppingmall-Schaufenstern der Wahlpolitik – sind verbrecherisch, da sie Unterschiede jeglicher Art vernichten wollen.

Das Andere stellt dann den Feind dar: Gender-Differenz, ethnische Unterschiede, Unterschiede der sexuellen oder asexuellen Identität, der Sprache, der Hautfarbe, der Kultur, des Glaubens oder Nicht-Glaubens, des Weltbildes, des Körperbaus, des Schönheitsstereotyps, der Geschichte. Unter Berücksichtigung aller Welten, die es auf der Welt gibt, gibt es praktisch so viele tatsächliche oder potenzielle Feinde, wie es Menschen gibt.

Und wir könnten sagen: Fast jegliche Affirmation von Identität bedeutet eine Kriegserklärung an das Differente. Ich sagte «fast» – und auf dieses «fast» beharren wir hartnäckig als Zapatistas, die wir sind.

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Gemäß unserer Modi, Kalender und Geographie sind wir zu dem Schluss gekommen, es ist immer möglich, dass der Alptraum noch schlimmer wird. Die Pandemie des «Coronavirus» ist nicht die Apokalypse. Sie stellt nur ihr Vorspiel dar. Wollten uns Medien und soziale Netzwerke früher beruhigen – indem sie uns «informierten» über das Schmelzen eines Gletschers, über ein Erdbeben, einen Tsunami, einen Krieg in einem weit entfernten Teil des Planeten, über die Ermordung eines weiteren Indígenas durch Paramilitärs, eine neue Aggression gegen Palästina oder den Pueblo Mapuche, über die Brutalität der Regierungen in Kolumbien und Nicaragua und mit Bildern der Lager von Migrant*innen, die von einem anderen Ort, einem anderen Kontinent, einer anderen Welt kommen – und uns damit davon überzeugen wollten, dies «passiere irgendwo anders» – hat die «Coronavirus»-Pandemie in wenigen Wochen gezeigt: Die Welt kann lediglich eine einzige kleine, egoistische, dumme und verwundbare Gemeinde sein. Die verschiedenen nationalen Regierungen bilden die Banden, die mit «legaler» Gewalt eine Straße oder ein Stadtviertel zu kontrollieren versuchen – der «Capo» (6), der alles kontrolliert, ist jedoch das Kapital.

Letztendlich, es wird noch schlimmer kommen. Aber das wusstet Ihr ja schon, nicht wahr? Und wenn nicht, ist es an der Zeit, dass Ihr es wahrnehmt. Denn sie versuchen nicht nur, zu überzeugen, Sorgen und Unglücksfälle seien immer weit entfernt (bis sie aufhören, es zu sein und mit Euch am Tisch sitzen, Euren Schlaf stören und Euch ohne Tränen zurücklassen), sondern sie sagen Euch auch der beste Weg, diesen Bedrohungen zu begegnen, sei individuell.

Und dieses Übel könne vermieden werden, indem sich davon entfernt, eine eigene abgeschlossene Welt gebaut und immer enger gemacht würde – bis nur noch Platz da ist für: «ich, mein, mich, mit mir». Dafür werden jeweilige «Feinde» angeboten, die immer eine schwache Flanke haben und möglich sind zu besiegen durch: Erwerben Sie … hören Sie mal … diesen Artikel … schauen Sie, was für ein Zufall … diese einmalige Gelegenheit haben wir im Angebot … und Sie können ihn erwerben … und erhalten ihn – innerhalb von Stunden, Tagen … oder Wochen – an Ihrer Bunker-Tür. Denn die Maschine hat entdeckt – oh, welche Überraschung – dass der Verdienst auch von der Waren-Zirkulation abhängt – und wenn dieser Prozess aufhört oder sich verlangsamt, leidet die Bestie … da Waren-Verteilung und -Lieferung ja auch ein Geschäft bilden .

Als Zapatistas, die wir sind, haben wir studiert und analysiert. Und wir wollen unsere Schlussfolgerungen kritischen Wissenschaftler*innen, Künstler*innen, Philosoph*innen und Analysierenden aus aller Welt gegenüberstellen, austauschen.

Dies jedoch nicht nur. Sondern auch und besonders mit denjenigen, die in ihren alltäglichen Kämpfen gelitten und vor den kommenden Unglücken gewarnt haben. Denn was das Gesellschaftliche betrifft, wertschätzen wir die Analyse und Einschätzung derer hoch, die ihre eigene Haut im Kampf gegen die Maschine riskieren – und wir sind skeptisch gegenüber denjenigen, die aus einer Außenperspektive heraus ihre Meinung kundtun, bewerten, beraten, urteilen und verurteilen oder freisprechen.

Aber Achtung! Wir sind der Meinung, dieser kritische Blick des «Außenseiters» ist notwendig und lebenswichtig, da er uns erlaubt, Dinge zu sehen, die in der Hitze des Kampfes nicht gesehen werden. Und er trägt bei – obacht! – zu Wissen über die Genealogie der Bestie, ihre Transformationen und ihr Funktionieren.

Kurz gesagt: Wir wollen reden und vor allem zuhören, denjenigen, die dazu bereit sind. Und uns kümmern nicht ihre Hautfarbe, Größe, Ethnie, ihr Geschlecht, ihre Religion, politische Mitgliedschaft oder ideologischen Stolpersteinen – falls sie mit dem gezeichneten Bild der Mörder-Maschine übereinstimmen.

Falls jedoch eine*r – wenn wir über diesen Verbrecher sprechen – ihn mit unausweichlichem Schicksal, mit Pech, «der natürlichen Ordnung der Dinge», mit göttlichem Zorn, Schlampigkeit oder Zwanglosigkeit identifiziert – dann haben wir kein Interesse, zuzuhören oder zu sprechen. Um solche Erklärungen kennenzulernen, brauchen wir uns nur die Seifenopern anzuschauen oder in sozialen Netzwerken nach Bestätigung zu suchen.

Das heißt, wir denken, wir haben festgestellt, wer der Kriminelle ist, seinen Modus Operandi und das Verbrechen selbst. Diese drei Kennzeichnungen synthetisieren sich in einem System, d.h., in einer Form, mit Mensch und Natur in Verbindung zu treten: dem Kapitalismus.

Wir wissen, das Verbrechen, welches im Gange ist und dessen Verwirklichung wird für die ganze Welt katastrophal sein. Dies ist jedoch nicht die Schlussfolgerung, die wir bekräftigen wollen.

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Denn es stellt sich heraus, dass wir beim Studieren und Analysieren auch etwas entdeckt haben, das wichtig sein kann oder auch nicht. Es kommt darauf an.

Ausgehend von der Annahme, dieser Planet wird zerstört werden – zumindest so wie wir es bisher wahrnehmen – haben wir mögliche Optionen untersucht.

Das heißt: Das Schiff sinkt und da oben sagen sie, es passiere nichts und sei vorübergehend. Ja, wie bei der Havarie des Tankers Prestige vor den europäischen Küsten in 2002 – Galizien war Zeuge und erstes Opfer. Die Behörden aus Wirtschaft und Regierung sagten, es seien nur ein paar Tropfen Treibstoff ausgelaufen. Die Katastrophe zahlten weder der Befehlsgeber, noch seine Aufseher und Vorarbeiter. Sie wurde und wird von den Menschen bezahlt, die ihren Lebensunterhalt mit der Fischerei an diesen Küsten verdienen. Sie und ihre Nachkommen.

Und mit «Schiff» meinen wir den Planeten Erde, der durch ein System homogenisiert und hegemonisiert wird: den Kapitalismus. Natürlich kann gesagt werden: «Das ist nicht unser Schiff». Der gegenwärtige Untergang jedoch ist nicht nur der eines Systems sondern der ganzen Welt – vollständig, total – bis in den entlegensten und isoliertesten Winkel – und nicht nur der ihrer Machtzentren.

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Wir verstehen, wenn welche denken und entsprechend handeln, es sei noch möglich, hier und da ein wenig auszubessern, zu flicken, zu streichen, das Schiff zu renovieren. Um es über Wasser zu halten – egal wie. Auch indem die Fantasien verkauft werden, Mega-Projekte seien möglich, die keinerlei Dörfer auslöschen und auch nicht die Natur beeinträchtigen würden.

Wir verstehen, es gibt Leute, die meinen, es reiche aus, sehr entschlossen zu sein und sich sehr viel Mühe mit der Schminke zu geben (zumindest bis die Wahlprozesse vorüber sind). Leute, die glauben, die beste Antwort auf die Proteste von «Nunca mais» (7) – die in jedem Winkel des Planeten wiederholt werden – seien Versprechen und Geld, politische Programme und Geld, gute Absichten und Geld, Fahnen und Geld, Fanatismus und Geld sind. Sollen sie doch daran glauben, dass die Probleme der Welt auf einen Mangel an Geld reduziert werden können.

Ja, und das Geld braucht Straßen, große zivilisatorische Projekte, Hotels, Einkaufszentren, Fabriken, Banken, Arbeitskraft, Konsumenten, … Polizei und Armeen.

Die so genannten «ländlichen Gemeinden» werden als «unterentwickelt» oder «rückständig» eingestuft, weil eine Geldzirkulation – das heißt: Waren-Umlauf – nicht oder nur sehr gering vorhanden ist. Es spielt keine Rolle, dass zum Beispiel die Rate an Frauenmorden und geschlechtsspezifischer Gewalt im Vergleich zu den städtischen Gebieten niedriger ist. Die Regierungserfolge werden an der Zahl der zerstörten Gebiete gemessen – und der neuen Ansiedlung von Waren-Produzenten und Waren-Konsumenten – dank des nachfolgenden Wiederaufbaus. Wo einst ein Maisfeld, eine Quelle, ein Wald war, stehen jetzt Hotels, Einkaufszentren, Fabriken, Wärmekraftwerke … Es gibt jetzt geschlechtsspezifische Gewalt, Verfolgung von Anderssein, Drogenhandel, Kindermorde, Menschenhandel, Ausbeutung, Rassismus, Diskriminierung. Kurz gesagt: Z-i-v-i-l-i-s-a-t-i-o-n.

Ihre Idee besteht darin, dass die bäuerliche Bevölkerung zu Dienstangestellten dieser «Urbanisierung» wird. Diese werden weiterhin an ihrem Ort leben, arbeiten und konsumieren, aber der Eigentümer ihrer gesamten Umgebung wird ein industrielles-kommerzielles-finanzielles-militärisches Konglomerat sein – dessen Hauptsitz sich im Cyberspace befindet und für welches das eroberte Gebiet nur ein Punkt auf der Landkarte ist; ein Prozentsatz seines Gewinns; eine Ware. Und die eigentliche Folge wird darin bestehen: Die einheimische Bevölkerung muss abwandern, da das Kapital mit seinen eigenen «qualifizierten» Mitarbeitern ankommt. Die einheimische Bevölkerung wird Gärten bewässern und Parkplätze, Geschäfte und Schwimmbäder reinigen müssen – dort wo vorher Felder, Wälder, Küsten, Lagunen, Flüsse und Quellen waren.

Was verborgen bleibt: Hinter den Expansionen (den «Eroberungskriegen») der Staaten – seien sie intern («um mehr Bevölkerung in die Moderne einzubinden») oder extern unter verschiedenen Vorwänden (wie die der Regierung Israels in ihrem Krieg gegen Palästina) – steht eine gemeinsame Logik: die Eroberung eines Territoriums durch Ware, sprich: durch Geld, sprich: durch Kapital.

Wir verstehen jedoch, dass Leute – um Kassierer zu werden, der die Zahlungen und Abbuchungen verwaltet, die der Maschine Leben geben – Wahlparteien bilden. Fronten bilden – breit oder eng – um den Zugang zur Regierung zu bestreiten; Allianzen und «strategische» Brüche schaffen – und all die Abstufungen, wo Kräfte und Leben eingesetzt werden und die hinter kleinen Erfolgen die großen Misserfolge verbergen. Ein kleines Gesetz hier; ein offizieller Dialog da; eine journalistische Notiz dort; ein Tweet hier; ein Like dort – und dennoch, um ein Beispiel für ein weltweites Verbrechen zu nennen, erhöht sich die Anzahl von Feminiziden. In der Zwischenzeit steigt die Linke auf und fällt herunter; steigt die Rechte auf und fällt herunter; steigt die Mitte auf und fällt herunter. Wie die unvergessliche Marisol aus Málaga sang, «Das Leben ist eine Tombola»: Alle (oben) gewinnen, Alle (unten) verlieren.

«Zivilisation» ist jedoch nur ein fadenscheiniges Alibi für brutale Zerstörung. Das Gift sprudelt weiter (nicht mehr der Prestige – oder nicht nur von diesem Schiff kommend), und das ganze System scheint gewillt zu sein, auch noch den letzten Winkel des Planeten zu vergiften. Denn Zerstörung und Tod rentieren sich mehr als die Maschine zu stoppen.

Wir sind sicher, Ihr könnt noch mehr und mehr Beispiele hinzufügen. Kostproben eines irrationalen Albtraums, der jedoch handelt.

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Wir konzentrieren uns somit seit mehreren Jahrzehnten auf die Suche nach Alternativen. Die Konstruktion von Flößen, Kanus, Booten und sogar größeren Schiffen (die Sexta (8) als eine unwahrscheinliche Arche) haben einen klar definierten Horizont. Irgendwo wird es notwendig sein, anzulanden.

Wir lasen und lesen. Wir studieren und tun dies auch weiterhin. Wir analysieren damals und heute. Wir öffnen unsere Herzen und Augen, nicht für aktuelle oder altmodische Ideologien sondern für die Wissenschaften, für die Künste und für unsere Geschichte als Pueblos originarios (9). Und mit diesem Wissen und diesen Werkzeugen haben wir herausgefunden, dass es in diesem Sonnensystem einen Planeten gibt, der bewohnbar sein könnte: den dritten Planeten des Sonnensystems, der bis jetzt in Schul- und Wissenschaftsbüchern mit dem Namen «Erde» auftaucht. Zur weiteren Orientierung: Er befindet sich zwischen Venus und Mars. Das heißt, gemäß bestimmter Kulturen liegt er zwischen Liebe und Krieg.

Das Problem ist, dieser Planet ist bereits ein Trümmerhaufen, ein echter Albtraum und ein greifbarer Schrecken. Wenig bleibt intakt. Selbst das Leichentuch, das die Katastrophe verbirgt, bekommt Risse. Es geht also – wie soll ich es sagen? – nicht darum, diese Welt zu erobern und dann die Freuden derjenigen zu genießen, die gewinnen. Es ist noch komplizierter und erfordert, ja, eine weltweite Anstrengung: Diese Welt muss neu geschaffen werden.

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Nun, nach den großen Hollywood-Filmproduktionen ist der Ausweg aus der weltweiten Katastrophe – die immer etwas von außerhalb ist: Aliens, Meteoriten, unerklärliche Pandemien, Zombies, die Kandidaten für irgendein öffentliches Amt ähneln – ein Ergebnis der Vereinigung aller Regierungen der Welt (angeführt von den Gringos) … Oder schlimmer noch: der US-Regierung – verköpert in einer männlichen oder weiblichen Einzelperson (denn die Maschine hat ja bereits gelernt: die Farce gehört dazu) – das zwar die politisch korrekten Haut- und Geschlechtsmerkmale hat, auf der Brust jedoch das Zeichen der Hydra (10) trägt.

Aber weit entfernt von diesen Fiktionen zeigt uns die Realität, dass es sich um ein reines Geschäft handelt: Das System produziert Zerstörung und verkauft Dir die Tickets, um davor zu fliehen … ins Welt-All. Und sicherlich gibt es in den Büros der großen Konzerne brillante Projekte der interstellaren Kolonisierung … das Privateigentum an den Produktionsmitteln inklusive. Mit anderen Worten: Das System zieht in seiner Gesamtheit auf einen anderen Planeten um. «All included – alles inbegriffen» bezieht sich auf diejenigen, die arbeiten; auf diejenigen, die von denen leben, die arbeiten – und ihr Ausbeutungsverhältnis.

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Manchmal jedoch schauen sie nicht nur auf den Weltraum. Der «grüne» Kapitalismus strebt nach «geschützten» Zonen auf dem Planeten. Ökologische Nischen, in denen die Bestie Unterschlupf finden kann, während der Planet sich von ihren Bissen kuriert (was nur ein paar Millionen Jahre dauern wird).

Wenn die Maschine von «einer neuen Welt» oder «der Humanisierung des Planeten» spricht, denkt sie an Gebiete, die zu erobern, zu entvölkern und zu zerstören sind, um sie dann wieder zu bevölkern und neu aufzubauen – mit der gleichen Logik, die jetzt die ganze Welt vor dem Abgrund stehen lässt – immer bereit, den Schritt nach vorne zu tun, den der Fortschritt verlangt.

Ihr denkt vielleicht, es ist nicht möglich, dass jemand so dumm sein kann, das Haus zu zerstören, in dem er wohnt. «Der Frosch trinkt nicht das ganze Wasser der Pfütze, die er bewohnt», sagt ein Sprichwort der Pueblos originarios der Sioux. Aber wenn Du versuchst, rationale Logik auf die Funktionsweise der Maschine anzuwenden, wirst Du es nicht verstehen (nun ja, ebenso wenig die Maschine). Moralische und ethische Bewertungen nützen nichts. Die Logik der Bestie ist der Profit. Natürlich wirst Du Dich jetzt fragen, wie es möglich ist, dass eine irrationale, unmoralische und dumme Maschine die Geschicke eines ganzen Planeten lenkt. Ah, (seufz), das liegt in ihrer Genealogie, ihrer ureigenen Essenz.

Aber wenn die unmögliche Aufgabe beiseite gelassen wird, das Irrationale mit Rationalität auszustatten, wird man zu dem Schluss kommen, dass es notwendig ist, diese Monströsität zu zerstören – die, nein, nicht teuflisch ist. Leider ist sie menschlich.

Und natürlich studierst, liest, vergleichst, analysierst und entdeckst Du: Es gibt tolle Vorschläge, um vorwärts zu kommen. Von Rasuren und Schminke, über neue oder alte Systeme, bis hin zu Moral- und Logikunterricht für die Bestie.

Ja, wir verstehen Dich, das Leben ist beschissen und es ist immer möglich, sich in den sozialen Netzwerken so überbewerteten Zynismus zu flüchten. Der verstorbene SupMarcos pflegte zu sagen: «Das Schlimme ist nicht: Das Leben ist scheiße, sondern dass sie dich zwingen, Scheiße zu fressen und trotzdem erwarten, dass du dankbar dafür bist».

Aber nehmen wir mal an, dass Du weißt, das Leben in der Tat ist scheiße. Aber Deine Reaktion besteht nicht darin, sich in Dich selbst zurückzuziehen (oder in Deine «Welt», je nach der Anzahl Deiner Social-Media-Follower da draußen). Und dann entscheidest Du dich, mit Glauben, Hoffnung und Wohltätigkeit eine der Optionen zu umarmen, die sich Dir bietet. Und Du wählst die Beste, die Größte, die Erfolgreichste, die Berühmteste, diejenige, die gewinnen wird … oder diejenige, die am Nächsten dran ist.

Große Projekte neuer und alter politischer Systeme. Unmögliches Zurückdrehen der Uhr der Geschichte. Patriotische Nationalismen. Gemeinsame Zukunft dadurch, dass diese Option die Macht übernimmt und darin verbleibt, bis alles gelöst ist. Ist Ihr Wasserhahn undicht? Wählen Sie diese. Zu viel Lärm in der Nachbarschaft? Wählen Sie jene. Sind die Kosten für Transport, Lebensmittel, Medizin, Energie, Schulen, Kleidung, Unterhaltung, Kultur gestiegen? Haben Sie Angst vor Migration? Stören Sie dunkelhäutige Menschen, andere Glaubensrichtungen, unverständliche Sprachen, andere Körpergrößen und Hautfarben? Wählen Sie …

Es gibt sogar solche Optionen, die sich nicht im Ziel sondern in der Methode unterscheiden. Und dann machen sie oben das, was sie unten kritisiert haben. Mit ekelhaftem Jonglieren und Diskutieren über geopolitische Strategien werden diejenigen unterstützt, die sich in Verbrechen und Dummheit wiederholen. Es wird gefordert, die Menschen sollen Unterdrückungen zugunsten der «Wechselbeziehung der internationalen Kräfte und des Aufstiegs der Linken in der Region» ertragen. Aber Nicaragua ist nicht Ortega-Murillo – und es wird nicht lange dauern, bis die Bestie das verstehen wird.

Bei all diesen großen Lösungsangeboten im tödlichen Supermarkt des Systems wird oft nicht gesagt, dass sie das brutale Aufzwingen einer Hegemonie bedeuten und ein Dekret zu Verfolgung und Tod für das, was dem Sieger nicht homogen ist.

Regierungen regieren für ihre Gefolgsleute; niemals für die, die es nicht sind. Die Stars der sozialen Netzwerke füttern ihre Follower, auch um den Preis dabei Intelligenz und Schamgefühl zu opfern. Und die «politische Korrektheit» schluckt Kröten, die später denjenigen verschlingen werden, der zur Resignation rät: «Um dem Hauptfeind nicht zu nützen».

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Ist der Zapatismus eine große Antwort, nur eine weitere Antwort auf die Probleme der Welt?

Nein. Der Zapatismus ist ein Berg von Fragen. Und die kleinste Frage ist vielleicht die beunruhigendste: Und du – was ist mit dir?

Schlägt der Zapatismus angesichts der kapitalistischen Katastrophe ein alt-neues idyllisches Gesellschaftssystem vor – und damit eine Wiederholung des Aufzwingens von Hegemonien und Homogenitäten, die nun «gut» sein sollen?

Nein. Unser Denken ist so klein, wie wir es sind: Es sind die Bemühungen eines jeden Menschen, in seiner Geographie, nach seinem Kalender und seiner Art und Weise, die es vielleicht erlauben werden, den Verbrecher beiseite zu schaffen und gleichzeitig alles neu zu machen. Und alles meint alles.

Jede*r wird nach seinem*ihrem eigenen Kalender, seiner*ihrer eigenen Geographie, seinem*ihrem eigenen Weg, seinen*ihren Weg schaffen müssen. Und wie wir – die Pueblos Zapatistas – wird er*sie stolpern und wieder aufstehen – und was er*sie aufbaut, wird jeden Namen haben, den er*sie haben will. Und es wird dann nur anders und besser sein – als das, was wir früher erlitten haben und was wir heute erleiden – dann, wenn das Andere anerkannt und respektiert wird, wenn darauf verzichtet wird, dem Differenten das eigene Denken aufzuzwingen – und wenn endlich erkannt wird: Es gibt viele Welten und ihr Reichtum wird in ihren Verschiedenheiten geboren und leuchtet darin.

Ist das möglich? Das wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass wir, um es herauszufinden, für das Leben kämpfen müssen.

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Was tun wir also auf dieser Reise für das Leben, wenn wir nicht danach streben, Wege, Routen, Schicksale zu diktieren? Was, wenn wir nicht nach Anhänger*innen, Stimmen, Likes suchen? Was, wenn wir nicht urteilen und verurteilen oder freisprechen wollen? Was, wenn wir nicht zum Fanatismus für ein neues-altes Glaubensbekenntnis aufrufen? Was, wenn wir nicht danach streben, in die Geschichte einzugehen und eine Nische im vermoderten Pantheon des politischen Spektrums zu besetzen?

Nun, um ehrlich mit Euch zu sein – als Zapatistas, die wir sind: Wir werden unsere Analysen und Schlussfolgerungen nicht nur dem Anderen gegenüber stellen, der kämpft und kritisch denkt.

Wir werden dem Anderen für seine*ihre Existenz danken. Um den Lehren zu danken, die seine*ihre Rebellion und sein*ihr Widerstand uns geschenkt haben. Um die versprochene Blume zu übergeben. Den Anderen zu umarmen und ihm*ihr ins Ohr zu sagen, er*sie sei nicht allein. Ihm*ihr zuzuflüstern, der Widerstand sei es wert; der Kampf, der Schmerz für die, die nicht mehr da sind; die Wut, dass der Verbrecher ungestraft bleibt; der Traum von einer Welt, die nicht perfekt ist – aber dennoch besser: eine Welt ohne Angst.

Und auch und vor allem werden wir nach Komplizenschaft suchen … für das Leben.

SupGaleano.
Juni 2021, Planet Erde.

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